Dieser Beitrag ist der Versuch zu erklären, warum jemand längere Zeit ins Ausland geht. Oder bessergesagt der Versuch zu erklären, warum es oft keine Erklärung dafür gibt.
Es gibt 1000 Gründe, warum jemand eine längere Reise macht. Und mit längerer Reise meine ich nicht den 2-wöchigen Pauschalurlaub mit der ganzen Familie in den Sommerferien, sondern tatsächlich längere Auslandsaufenthalte, oftmals alleine. Beispielsweise Auslandssemester, Auslandspraktika, Freiwilligenarbeit, Work & Travel oder eine Weltreise. Wenn ich mir die Lebensumstände derjenigen ansehe, die für einige Zeit ins Ausland gehen, fällt mir aber immer öfter auf: Eigentlich lassen sich diese Gründe grob in zwei Umstände gliedern. Entweder jemand will möglichst weit weg, weil zu Hause gerade alles so richtig scheiße ist. Oder jemand geht weg, weil oder obwohl zu Hause gerade alles perfekt läuft. Aber wie passt das denn zusammen?
Scheiß drauf, ich bin dann mal weg
Lasst uns doch einmal den ersten Fall genauer betrachten. Angenommen, deine Beziehung ist gerade in die Brüche gegangen, das Studium hat sich nicht wirklich als dein Traumstudium entpuppt und/oder dein Job kotzt dich eigentlich schon länger so richtig an. Du bist im Moment einfach unzufrieden mit deiner Lebenssituation und denkst dir: Jetzt einfach alles hinschmeißen und ans Ende der Welt zu fahren, das wär’s doch! Genau das ist einer Freundin von mir passiert. Und obwohl diese früher nicht wirklich die Abenteurerin war, sind plötzlich so viele negative Dinge aufeinandergetroffen, dass sie von heute auf morgen ihren Job und die Wohnung gekündigt hat und auf Weltreise gegangen ist. Und das Jahr ihres Lebens erlebt hat.
Und wenn gerade alles so richtig schön ist?
Was aber, wenn gerade keine Katastrophe passiert in deinem Leben? Wenn du einen tollen Freundeskreis, einen guten Job und auch sonst mehr oder weniger alles hast, was man sich so im Leben wünscht? Was, wenn du trotzdem manchmal aufwachst und dir denkst: Einmal so aus dem Alltag ausbrechen, das wäre schön. Wenn dir eine innere Stimme sagt: Da draußen gibt es noch so viel zu entdecken und zu lernen, geh raus in die Welt und sehe sie dir an! Was, wenn diese Stimme immer lauter statt leiser wird?
Dann heiße ich dich herzlich willkommen im Club.
Vergebliche Suche nach Gründen
Die „scheiß drauf, ich bin dann mal weg“-Reisenden brauchen meist nicht lange nach Gründen zu suchen, um ihre geplante Reise zu rechtfertigen. Sie ergeben sich einfach von selbst. Und es sind gute Gründe, „ich versteh dich voll und ganz“-Gründe, und man bewundert sie für den Mut den sie haben, alles einfach hinzuschmeißen und das geregelte Leben gegen Abenteuer zu tauschen.
Die „eigentlich ist alles perfekt, aber…“-Reisenden kommen da schon eher in Erklärungsnot. Oftmals hört man von ihnen Sätze wie „dort gibt es einfach unglaublich gute Unis/Firmen“ oder „ich will mich einfach persönlich weiterentwickeln“ oder „ich möchte einfach etwas für die Gesellschaft dort tun“ oder „ich will einfach einmal etwas erleben“. Und all diese Sätze sind wahr, und sind es doch wieder nicht. Denn was mir persönlich aufgefallen ist: Eigentlich kann man es rational nicht erklären, warum man sein geregeltes Leben hinschmeißen und sich in etwas völlig Unbekanntes stürzen möchte. Vielmehr handelt es sich ganz einfach um ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann. Irgendetwas in einem will einfach weg, so als ob es spüren würde, dass da draußen noch so viel mehr ist. So, also ob unsere innere Persönlichkeit weiß, dass sie einfach andere Eindrücke braucht, um sich weiterzuentwickeln. Und genau dieses unbeschreibliche Gefühl macht es so unglaublich schwierig, diese Reisesehnsucht vor Familien, Freunden oder sich selbst zu rechtfertigen.
Warum es trotzdem schön ist, keine Erklärungen zu finden
Und trotz dieser Erklärungsnot bin ich froh, dass ich mich bisher immer zu denjenigen zählen durften, deren Lebensumstände eigentlich viel zu schön waren, um alles hinzuschmeißen und für längere Zeit wegzugehen. Denn es ist ein Privileg, weggehen zu können, und zu wissen: Zu Hause wartet jemand auf mich. Egal, wie es am anderen Ende der Welt auch sein wird, ich kann jederzeit wieder zurück. Zurück zu meiner Familie, zu meinen Freunden, in meine Wohnung. Ich kann jederzeit wieder ein Studium oder einen Job finden, das/der mir Spaß macht.
Manchmal ist es schön, ans andere Ende der Welt reisen, um (wieder) zu sich selbst zu finden. Sei es nach einer längeren Beziehung, in der man sich von sich selbst entfernt hat, oder sei es nach eine Tätigkeit, bei der man festgestellt hat, dass es doch nicht das Richtige für einen ist. Und es gehört unglaublich viel Mut dazu, einfach alles hinzuschmeißen, wegzugehen und danach ein neues Leben anzufangen.
Doch mindestens genauso schön ist es, ans andere Ende der Welt zu reisen, und zu wissen: Wenn ich nach Hause komme, kann ich eigentlich genau so weitermachen wie bisher. Und trotzdem die Freiheit zu haben Seiten an sich zu entdecken, die man noch nicht kannte, und diese auch nach Hause mitzunehmen. Und wenn sich dadurch bei der Rückkehr etwas in seinem Leben ändern sollte, ist das auch völlig okay so. Denn schlussendlich reist man doch, um sich weiterzuentwickeln, oder?
Kennst du dieses Gefühl? Oder hast du gar schon einmal deinen ganzen Mut zusammengenommen, alles hingeschmissen und nach der Reise ein neues Leben begonnen?